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Assistenzerfahrung...       

Assistenz ist in der Häuslichkeit immer ein Dauerthema. Ich möchte hier mal berichten, wie in meinem Fall von Seiten meines Pflegeteams versucht wird, „bestmögliche Assistenz“ umzusetzen und wie es dazu kam...

Soll bei mir ein neuer Mitarbeiter eingesetzt werden, so wird mir dieser telefonisch angekündigt. Ich bin froh, wenn ich Namen, Alter, Familienstand, Wohnort und zukünftiges Beschäftigungsverhältnis mit dem Pflegedienst des neuen Mitarbeiters zuvor erfahre. Weitere Infos bleiben mir meist vorenthalten. Ich muss mich immer wieder der Situation stellen, dass der Neubewerber schon umfassende Informationen von mir bekommt. Ich bekomme aber praktisch keine von ihm. Ihm wird meine Telefonnummer, E-mail-Adresse und Homepage bekannt gegeben. Der eventuell neue Mitarbeiter wird aufgefordert, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Wenn das geschieht, wird ein Vorstellungsgespräch bei mir vereinbart.

Der Pflegedienst nimmt mich als Vertragspartner ernst. Er räumt mir ein, meine Mitarbeiter unter denen, die er mir vorstellt, selbst auszusuchen.

Nach einem Vorstellungsgespräch darf ich entscheiden, ob mir der neue Mitarbeiter zusagt und ob er bei mir ins Team soll. Wenn das stattfinden soll, werden Termine für Einarbeitungen gesucht. In meiner Versorgung werden generell 12 bis 16 Stunden eingearbeitet. Diese Stunden können in 3-4 x 4 Stunden gesplittet werden. Es wird immer von 2 Mitarbeitern nacheinander in mind. 2 Schichten eingearbeitet.

Es wird ganzheitlich alltagsbezogen eingearbeitet.

Größte Priorität wird dabei aufs Absaugen und die Transfers gelegt. Hierin muss niemand von Anfang an perfekt sein. Ich lege persönlich jedoch darauf mein Hauptaugenmerk. Die Bereitschaft, die Kenntnis zu erlangen, mich nach meinen persönlichen individuellen Bedürfnissen absaugen zu lernen, muss ich schon in den Einarbeitungszeiten definitiv erkennen können.

Ich bekomme die Freiheit unseren Dienstplan selbst zu schreiben. Es werden die Dienst- bzw. Frei-Wünsche bei mir abgegeben. In meinem Team arbeiten derzeit nur Mitarbeiter, die ausschließlich bei mir eingesetzt sind. Die Planung wird dadurch einfacher. Wir arbeiten bei mir überwiegend in einem individuellen 3-Schicht-System. Ausfälle können auf diese Weise wesentlich einfacher kompensiert werden. Krankheitszeiten treten bei uns wenig auf, durch kürzere 8-Stunden-Schichten werden die Mitarbeiter weniger an ihre Leistungsgrenzen gebracht. Der Tag nach dem Nachtdienst ist Arbeitsnacht- und Ausschlaftag. Der drauffolgende zwingend frei.

Mein Team weiß um die Bedeutung des gegenseitigen Nehmens und Gebens. Hier werden Wünsche gegenseitig weitgehend berücksichtigt. Stetige Kommunikation ist dabei unabdingbar.

Dies zu Einarbeitungen und internen Verwaltung in meiner Versorgung.

Beschreiben möchte ich hier jedoch, was für mich Assistenz explizit durch mein Team bedeutet:

Ich bin seit Juni 2003 Klientin beatmet und werde von einem intensiverfahrenem Pflegeteam versorgt. Der Anfang war ein guter, jedoch mit der heutigen Situation nicht zu vergleichen. Obwohl zuvor an Persönliche Assistenz gewöhnt, war ich durch die Beatmungssituation jetzt in einer anderen Lage. Ich kannte mich und meinen Körper nicht mehr. Ich war froh um die vielen „Fremden“ um mich, die meine Wohnung in Beschlag genommen hatten und mir nun sagten, wo es lang ging...

Ich hab mir ziemlich verstört das Heft aus der Hand nehmen lassen und war froh, dass ich an die Hand genommen wurde. Das Krankenhaus war mit mir nach Hause gekommen. Überall waren von mir wahrzunehmende Geräusche, die ich jedoch nicht richtig einordnen konnte. Ich bin 50 bis 100 mal am Tag "gestorben", man kannte es aus dem Fernsehen aus den unzähligen Arztserien: langer Pfeifton hieß dort immer Exitus...

Diese Situationsbeschreibung löst bei Krankenpflegepersonal gerne amüsiertes Grinsen aus. Ich kann Ihnen aber versichern, dass es zum Härtesten zählt, was ich in meinem Leben durchgemacht habe.

Diese Alarmtöne wurden ja auch nicht vom Pflegepersonal ignoriert. Nein, da kam immer Reaktion. Meist quittierte man sofort den Alarm am Gerät, weil es nicht bedrohlich sondern nur nervig war und ich nur hyperventilierte... Ich als angstbeladener unwissender Patient registrierte auch nur das. Pfeifton – Pfleger tut was am Gerät – Ton hört auf – das Ende wurde Gottseidank noch mal abgewendet – und mir ging´s subjektiv für einen kurzen Moment spürbar besser...

In dieser angstbeladenen Anfangszeit war es nicht unangenehm freundlich umsorgt, gepflegt und fremdbestimmt zu werden.

Doch die vielen Medikamente wurden nach 2 Monaten von einem Tag zum anderen abgesetzt. Ich bekam wieder einen klaren Kopf. Ich hatte ein nettes Team, das mich größtenteils verstand, mich pflegte und verwöhnte. Die Angst ließ etwas nach und Erinnerungen an mein Leben vor der Beatmungssituation wurden wach.

Ich habe gerne feste Feste gefeiert, schaute gern gute Filme. Ich hörte gern Musik und bastelte riesig gern. Ich hab gerne mit Freunden gequatscht... – Warum das eigentlich nicht wieder? Mein Team war gewillt, mit mir dahin zurück und somit nach vorne zu gehen. Es unterstützte mich auf diesem Werdegang nach bestem Wissen...

Dennoch lief vieles damals noch ganz anders als heute.

Damals gab es keine Vorstellungsgespräche. Es gab keine Vorabinformationen über eventuelle Mitarbeiter.

Nein, da war´s noch so, dass morgens um 8h später sogar schon um 7h der neue Mitarbeiter mit dem an diesem Tage Diensthabenden ins Zimmer kam. Ein kurzes Guten Morgen. Das ist Herr oder Frau Sowieso. Danach wurde gefragt: Musst du auf Toilette? Ok, dann Bettdecke weg. Ich durfte mich nackt offenbaren und dann wurde der erste Transfer am Morgen eingearbeitet. Danach wurde von Kopf bis Fuß gewaschen... Nach dem ganzen Programm wurde ich schließlich angezogen und in den Rollstuhl geliftet, damit ich am Tisch sitzend frühstücken konnte...

Meinen tatsächlichen Bedürfnissen entsprach der durchstrukturierte Tagesablauf eigentlich nicht. Ich war dennoch froh, dass wir uns irgendwo zwischendrin trafen. Ich konnte so wieder zu Kräften kommen und konnte nach neuen Zielen streben.

Umso besser es mir ging, umso größer war der Wunsch in ein „normales“ Leben zurückzufinden.

Wie konnte das bewerkstelligt werden?

Meine Handicaps waren in der Beatmungssituation noch größer geworden. Meine Bedürfnisse sind dadurch jedoch nicht weniger umfangreich.

Da gibt es nicht nur Schlafen, Aufwachen, Waschen, Essen, Fernsehschauen...

Da steht der Sinn auch nach Geburtstagskarten basteln, Tischdekos entwerfen, DVDs anschauen. Auch mal Lieblingsmusik auf CDs brennen, Pastasoße kochen und Fußnägel lackieren. Aus Büchern vorlesen, Gäste einladen und Briefe schreiben. Zusammen Spiele spielen, Fotoshows zusammenstellen und Filmen. Meine Homepage bauen und bearbeiten. Das Zimmer umgestalten und „Perfekte Dinner“ zelebrieren. Die Beziehung leben, Balkon bepflanzen und auch mal richtig Klar Schiff machen. Telefonate führen und und und... . Kunterbuntes Leben rundum... es sollte wieder gelebt werden können.

Das ging, denn diese Versorgung unterlag einem stetigen Wandel.

Wir lernen uns kennen, mehr oder weniger. Dadurch wird klar, mein Team bzw. die einzelnen Mitarbeiter und ich haben unterschiedlichste Stärken und Schwächen.

Es ist eine kunterbunte Truppe – wenigstens ein Filmcrack, ein Computerfreak, ein Bastler, ein Spieler, ein Koch, ein newsticker, ein Erzähler, ein Gärtner, ein Fußpfleger, ein Organisator, ein Perfektionist, ein Chaot ist dabei. (Friseur und Fitnesstrainer könnte ich noch brauchen...).

Auch wenn nicht zu jeder Dienststunde, habe ich doch das Privileg ein Team um mich zu haben, das mich zu verstehen sucht. Es möchte mich unterstützen und sich auf Entwicklung und Kommunikation einlassen.

Kommunikation ist für mich Grundvoraussetzung für Assistenz.

Das größte Geschenk für mich derzeit ist, dass ich noch sprechen kann, meine Bedürfnisse verbal zum Ausdruck bringen kann. Es ist toll, noch sagen zu können, ich möchte meinen Kaffee heute aus der Snoopytasse aus dem 2. Hängeschrank von links in der Küche. Bitte halb Kaffee und halb Milch, ohne Zucker. Bitte den Milchkaffee noch für 20 Sekunden  in der Mikrowelle nachwärmen und einen auf passende Länge abgeschnittenen Trinkhalm in die Tasse...

- Ich stelle mir oft vor, mich irgendwann nicht mehr verbal artikulieren zu können – wie das dann wohl wäre?

Lauwarmer Milchkaffee in Standardtasse mit viel zu langem Trinkhalm?

Würde ich das überhaupt noch so bekommen?

Wenn keine Kommunikation stattfindet, dann wird der Schnellesser, kaum Kauer – von sich ausgehend, mir auch so das Essen anreichen. Das ganze Gegenteil passiert beim langsamen Esser. Da dauert das gemeinsame Essen eine Ewigkeit, heiße Mahlzeiten sind nie bis zum letzten Bissen warm. Muss ich dann Brotscheiben wieder in kleinst geschnittene Häppchen futtern, weil die Pflegerin noch Kleinkinder zuhause hat? Erregt Wurstbrot zum Frühstück Missbilligung beim Vegetarier? Schlimm wäre, die Erzähler beim Reden während der Mahlzeit nicht unterbrechen zu können. Die halten einem den gefüllten Esslöffel 20 cm vor die Nase, reichen aber nicht an, weil so Wichtiges zu berichten ist...

Das soll nicht entmutigen, sondern oft erfahrenen Alltag reflektieren. Um nicht in solche Situationen zu kommen, braucht es nur gute Kommunikation.

Kommunikation ist das A und O in der Assistenz, man muss miteinander reden, sich kennenlernen, bereit sein, sich auf eine Beziehung einzulassen, wie immer man diese gestalten möchte. Es geht ganz ganz viel, wenn man konstruktiv miteinander kommuniziert. Ich möchte allen in ähnlicher Situation Mut zusprechen, diese wertvolle Erfahrung selbst zu machen.

 

 

www.beatmet-zuhause-leben.de