AUS DER SCHULE GEPLAUDERT
"Ich brauche kein Mitleid, sondern Verständnis für meine Situation"
Schüler der Geislinger Emil-von-Behring-Schule lernten eine schwerbehinderte Frau mit viel Lebensmut kennen
Geislingen.
Durch eine nicht alltägliche Begegnung konnten die Schüler im dritten
Jahr der Altenpflegerausbildung der Geislinger Emil-von-Behring-Schule
ihr berufliches Handeln im direkten Erfahrungsaustausch mit Conny Pabst
festigen.
Sie
ist eine Frau im mittleren Lebensalter, die wegen einer seltenen
Muskelerkrankung seit ihrem 19. Lebensjahr im Rollstuhl sitzt, seit
einiger Zeit selbst diesen gegenwärtig nicht mehr nutzen kann, sondern
sehr viel Zeit im Bett verbringen muss.
Von dort aus muss sie ihren Alltag organisieren und bewältigen. Dazu
benötigt sie zusätzlich "fremde" Hände, die all das für sie ausführen,
was sie selbst nicht mehr kann. Selbstbestimmt und eigenverantwortlich
hat sie in der eigenen Häuslichkeit leben gelernt – trotz künstlicher Rund-um-die-Uhr-Beatmung. Das war bis zu unserer gemeinsamen Begegnung für uns nicht vorstellbar.
„Ich
brauche kein Mitleid, sondern Verständnis für meine Situation, das
Mitfühlen anderer, ist etwas Kostbares und ich bin froh, dass mir das
geschenkt wird“, betont Conny Pabst überzeugt. „Durch mein Handicap bin
ich dazu erzogen ganz viele Sachen im Kleinen zu entdecken, ich muss
mir sozusagen andere Nischen suchen.“
Alltägliches
wird bei Conny Pabst zum Abenteuer. Auf die Frage, wie sie den Alltag
und das Leben überhaupt bewältige, ob sie eine Beziehung zu Gott habe,
entgegnet Conny Pabst überzeugt, dass sie nicht mehr hier wäre, wenn es
Gott nicht gäbe. „Es gibt eine Macht, die alles lenkt!“
Angesichts
ihrer unsagbar schweren Situation lassen diese Worte erstaunen. Keine
angesagte Trauerstimmung, keine gebetsmühlenhafte „Warum-Ich-Fragen“,
kein Selbstmitleid beherrschen den Alltag. Was hervorsticht ist eine
garantiert lebensbejahende Einstellung, ein ungebrochener Lebensmut und
eine überzeugende Offenheit, wenn auch mitunter immer wieder schwierige
Lebenslagen überwunden werden müssen.
Darüber
hinaus ist Conny Pabst eine sehr gut informierte und lückenlos
aufgeklärte Klientin, die sich als Vertragspartnerin eines innovativen
Dienstleistungsunternehmens versteht.
Denn
ein selbstbestimmtes Leben unterstützt ein ambulanter
Rund-um-die-Uhr-Intensiv-Pflegedienst, der sie als Auftraggeberin ernst
nimmt. Ein Dienstplan, der ihre Wünsche berücksichtigt und ein
Mitsprachrecht bei der Auswahl der eingesetzten Mitarbeiter werden
realisiert.
Eine
24-Stunden-Versorgung erfordert eine gute Balance zwischen Nähe und
Distanz. „Um dies zu erreichen, braucht es den Willen, sich auf
Beziehungen einzulassen, Stimmungen wahrzunehmen, sie richtig
einzuordnen“ bekräftigt Conny Pabst.
Immerhin muss sie ihre Privatsphäre unausweichlich mit elf Pflegekräften teilen, die sie in mehrstündigem Rhythmus in ihrer Situation ganzheitlich unterstützen. Das
Alleinsein wird somit „als Rückkehr zur Realität“ erlebt. „Unbedingt
erforderlich ist eine offene Zusammenarbeit untereinander.“ Mitunter
bedeutet das auch kritische Rückmeldung geben und ertragen. Conny Pabst
besticht nämlich nicht nur durch einen geschulten Blick.
Sie ist darüber hinaus durch ihr besonderes Los zu einer unschlagbaren Expertin der pflegerischen Praxis geworden.
Und noch ein Hinweis:
Conny
Pabst benötigt dringend eine neue und spezielle „Antidekubitusmatratze“
und ein spezielles "Antidekubitussitzkissen" für ihren E-Rollstuhl.
Tatkräftige Unterstützung wäre wünschenswert.
Melitta Bolek